Liebe Freunde und Verwandte von Christiane Junker, hallo Aschaffenburger!

Am Abend des 18. Dezember 1979 änderte sich das Leben unserer Familie schlagartig. Der brutale Mord an meiner damals 15-jährigen Schwester Christiane riss uns aus einer vermeintlich "schönen, heilen Welt" und hinterließ tiefe Trauer, Wut und offene Wunden. Bis heute. Denn die Tat wurde nie aufgeklärt, der Mörder nie verurteilt.

Der Grund: Eine nicht enden wollende Kette von Fehlern - angefangen bei den ersten Polizisten, die damals zum Tatort gerufen wurden, bis hin zum Mordprozess 40 Jahre später.

Schlamperei und Inkompetenz vernichteten mögliche Beweise und DNA-Spuren und machten eine Aufklärung nahezu unmöglich. Was blieb, waren zahlreiche Indizien, die zwar für den im Frühjahr 2020 angeklagten B. als Täter sprachen, aber von den Richtern nicht berücksichtigt wurden. Mit der Folge, dass B. von der Kammer freigesprochen wurde.

Mit dem Prozess, an dem ich zusammen mit meiner jüngeren Schwester als Nebenkläger teilnahm, hatten wir zum ersten Mal das Recht und die Möglichkeit, uneingeschränkt Akteneinsicht zu nehmen.

Wir erhielten drei Aktenordner, prall gefüllt mit Hunderten von Ermittlungsberichten, Zeugenaussagen, Vernehmungsprotokollen. Mehr als 1.500 Seiten altes, schon leicht vergilbtes Papier, mit Schreibmaschine getippt, die mich über den Mord lückenlos aufklärten. Und mich schockierten - über all die Fehler, die gemacht worden waren. Vorher wusste ich nicht mehr über den Fall als jeder Main-Echo-Leser.

Und so verschlang ich fassungslos und kopfschüttelnd die Akten wie einen Krimi. Einen schlechten allerdings.

Was ist damals wirklich passiert? Welche Fehler wurden bei den Ermittlungen gemacht? Was ist bei der Autopsie schief gelaufen? Was geschah mit den Beweismittteln? Und warum hat die Kammer zahlreiche Indizien, die vor Prozessbeginn gegen den Angeklagten sprachen, plötzlich anders interpretiert?

Dieses Insiderwissen möchte ich, der ich an allen Prozesstagen dem Angeklagten gegenüber saß, an Euch weitergeben. Das Aschaffenburger Main-Echo hat seinen Lesern von 1979 bis 2019 immer nur die gleiche, oberflächliche Geschichte serviert. Ich hätte mir in all den Jahren eine kritischere Recherche gewünscht, aber die gab es bis zum Prozessbeginn leider nicht.

Deshalb auf diesem Wege die ebenso ungeschminkte wie traurige Wahrheit über den Mord an meiner damals 15-jährigen Schwester. Übrigens: Meine "kleine Schwester" war zur Tatzeit 9 Jahre und ich 14 Jahre alt - und man kann sich sicher vorstellen, wie eng wir zusammen aufgewachsen sind.

Bitte lest zunächst den Artikel aus dem Magazin "ZEIT VERBRECHEN Nr. 13". Er wird euch emotional in die damalige Zeit versetzen. Und danach bitte auch die - von mir verfassten - Insider-Fakten, persönlichen Eindrücke und Meinungen, die es aus Platzgründen leider nicht in den Artikel geschafft haben.

Ich freue mich über jedes TEILEN und WEITERLEITEN dieser Seite. Bitte helft mit, dass möglichst viele Aschaffenburger:innen die Wahrheit über den Schlossgartenmord (und was danach geschah) erfahren. Vielen Dank!

Robert Junker

Nachtrag: Am 31.10.2023 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Straftäter nicht zweimal vor Gericht gestellt werden - selbst dann nicht, wenn sie aufgrund neuer Beweise (z.B. DNA-Spuren) zweifelsfrei als Täter überführt sind. Das heißt: Mörder kommen hierzulande ungestraft davon, während unsere letzte Hoffnung auf Gerechtigkeit begraben wurde. Unser Glaube an Staat und Gesetz (Täterschutz vor Opferschutz) ist erschüttert.

1. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

Christiane ist nie alleine zur Schule gegangen. An allen Schultagen war sie in Begleitung einer Freundin und Mitschülerin. Nur am letzten Abend ging sie ausnahmsweise allein. Und das muss der Täter gesehen oder gewusst haben.

2. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

Bei allem Pech fand der Parkaufseher zuerst Christianes Kleider im Gebüsch verstreut. Er sammelte sie ein, schüttelte sie aus und legte sie auf einen Haufen, bevor er die Leiche entdeckte. Mögliche Spuren waren damit vernichtet.

3. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

Zum Zeitpunkt ihrer Anzeige wusste die Ex-Freundin nicht, dass B. (der im Artikel Puschke genannt wird) im selben Haus wie das Opfer wohnte. Christiane und sie kannten sich nicht. Aber B. kannte beide.

4. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

Wegen dieser versuchten Vergewaltigung mit Körperverletzung wurde B. nie angeklagt. Die Kriminalpolizei hatte es damals einfach vergessen. Unfassbar. Heute bekommt man dafür gut und gerne zwei Jahre Gefängnis. Leider sollte sich dieses Versäumnis 40 Jahre später auf den Prozess und das Urteil auswirken.

Nach dem ominösen 6.2.2020 (und dem Beginn der "gefühlten Disharmonie" zwischen Kammer und Staatsanwaltschaft) hatte ich den Eindruck, dass die Richter B. (aufgrund des fehlerhaften Biss-Gutachtens) für unschuldig hielten, obwohl zahlreiche Indizien weiterhin für ihn als Täter sprachen. Diese hatten jedoch keinen Einfluss auf das Urteil. Ebenso wenig wie die Vortat, die B. übrigens am ersten Verhandlungstag gestanden hatte.

Der Grund: Nach deutschem Recht darf eine Tat, die nicht zu einer Verurteilung geführt hat, später nicht gegen den Angeklagten verwendet werden. Eine Farce. Wir waren empört - über diese "plötzliche Einsicht" der Kammer. Denn anfangs hatte die Kammer das noch ganz anders gesehen. So wurde gleich zu Beginn des Prozesses das Opfer, also die Ex-Freundin, als Zeugin geladen und befragt. Aber wozu diese Zeugin vernehmen, wenn ihre Aussagen juristisch sowieso nicht verwertbar sind?

P.S. Die Anhörung hatte die Ex-Freundin übrigens schwer belastet. Offensichtlich hatte sie auch nach 40 Jahren noch traumatische Erinnerungen an den Angriff.

5. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

Die Richter taten dieses nervöse Verhalten im Urteil mit der absurden Begründung ab: "B. hatte als junger Mann in der Dämmerung wohl einfach Angst".

Ein Witz. Über den man laut lachen könnte, wäre er nicht so traurig. B. war damals fast jede Nacht unterwegs, hatte Autos aufgebrochen, Mopeds geklaut und Einbrüche begangen, weshalb er auch vorbestraft war. Doch die Richter blieben bei ihrer Einschätzung: "Er hatte Angst im Dunkeln".

6. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

Heute werden traumatisierte Angehörige in weniger gefährliche Arbeitsbereiche versetzt. Damals hatte man dafür wenig Verständnis. Mein Vater, meine Mutter, meine Schwester und ich bekamen nie psychologische Hilfe, die uns sicher geholfen hätte, den Verlust besser zu verarbeiten.

7. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

Mit dem Wegfall des Alibis hatte B. de facto kein Alibi mehr. Fakt ist aber: Er war am Tatabend stundenlang in der Innenstadt unterwegs. Wo genau er sich zur Tatzeit zwischen 19.30 und 19.50 Uhr aufgehalten hatte, konnte er selbst nicht glaubhaft erklären, geschweige denn beweisen. Und Zeugen, die ihn entlasten könnten, gab und gibt es nicht.

Übrigens: B. ist in der Nähe des Parks aufgewachsen und kannte jeden Weg, jeden Busch und jedes Schlupfloch, um in den abgesperrten Park zu gelangen. Das wurde vor Gericht von Zeugen bestätigt, aber nicht als Indiz gewertet.

8. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

Meines Wissens ist es weder vorher noch nachher zu einem weiteren Überfall im Schlossgarten gekommen. Nur diese beiden Fälle sind über all die Jahre dokumentiert. Und das im Abstand von nur sechs Wochen. Zufall?

9. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

6. Februar 2020. Der Tag, an dem das - von vier Münchner Professoren geprüfte und unterschriebene - fehlerhafte Gutachten offenbar wurde. Dieser Tag wird uns immer in Erinnerung bleiben. Sprachlos und fassungslos fuhren wir nach Hause. B. wurde aus der U-Haft entlassen. Juristisch zu Recht, denn der vermeintliche Beweis (die Bissspur) und damit die Grundlage der Anklageschrift hatte sich plötzlich in Luft aufgelöst.

In den folgenden Prozesstagen spürte jeder im Gerichtssaal eine gewisse "Disharmonie" zwischen Kammer und Staatsanwaltschaft. Mit der Folge, dass - so habe ich es im Gerichtssaal empfunden - die Kammer begann, alle anderen Indizien, die vorher noch relevant erschienen, in Zweifel zu ziehen.

10. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

Hätte die Kriminalpolizei 1979 von ihrem ersten Hauptverdächtigen B. einen Bissabdruck genommen (man wusste ja von der Bissspur in der Brust), wäre uns später viel Ärger (und vielleicht auch der Prozess) erspart geblieben.

Aber nein, dieses Versäumnis reiht sich nahtlos in die endlose Kette dilettantischer Fehler ein. Stattdessen nahm die Polizei reihenweise Bissabdrücke von 15-jährigen Mitschülern und Tanzpartnern.

11. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

So endet ein Urteil, wenn alle Indizien außer Acht gelassen werden. Eines von vielen Beispielen (weitere Beispiele findet ihr unten im Anhang), wie die Kammer nach dem 6. Februar 2020 vieles FÜR den Angeklagten ausgelegt hat, ist die Messung der Gehzeiten.

Hintergrund: B. wurde kurz nach 20.00 Uhr im Evangelischen Jugendzentrum (Nähe Sandkirche) und wenige Minuten zuvor von einem Polizeibeamten (auf Höhe der Heylands-Brauerei) gesehen. Er hatte also einen geschätzten Fußweg von 10 Minuten vom Tatort bis zur Heylands-Brauerei.

Jeder, der die Stadt ein wenig kennt, wird bestätigen, dass die Strecke vom Schlossgarten bis zur Heylands-Brauerei (Roßmarkt) in 10 Minuten gut zu schaffen ist. Wir haben es selbst gemessen und sind abends bei lockerem Laufen auf handgestoppte 10 Minuten und bei zügigem Laufen (Walking) auf 8 Minuten gekommen. Ein Jogger schafft die Strecke sicher auch in 5 bis 6 Minuten.

Aber was macht die Kammer? Sie folgte den Angaben der Polizeischüler, die im Auftrag der Kriminalpolizei den Weg tagsüber abgehen sollten. Es stellte sich aber heraus, dass sie unter anderem an roten Ampeln warteten und durch die belebte Fußgängerzone laufen mussten. Natürlich dauerte es so einige Minuten länger, bis sie ihr Ziel erreichten.

Der Mord geschah aber abends, die Ampeln waren aus, die Stadt wie ausgestorben (damals schlossen die Geschäfte noch gegen 18 Uhr). Und ein flüchtiger Täter "bummelt" nicht, sondern flieht vom Tatort. All das wurde trotz unserer Einwände im Urteil nicht berücksichtigt.

12. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

Darüber hinaus bleibt uns bis heute ein Rätsel, warum die Richter strikt davon ausgingen, dass die Tat in einem Durchgang vollzogen wurde, d.h. die Kammer unterstellte (anders kann man das leider nicht nennen), dass der Mörder nach dem Wurf über die Mauer unmittelbar den Weg zum Ufer genommen und dort mit dem Kantholz auf Christiane eingeschlagen habe. Dafür gibt es aber keine Beweise.

Denkbar wäre für uns auch, dass der Täter nach dem Erdrosseln und Hinunterwerfen den Tatort zunächst fluchtartig (in Panik) verließ und erst später (nach einigen Stunden) zurückkehrte, um sich zu vergewissern, dass Christiane tatsächlich tot war. Dies schloss die Kammer jedoch kategorisch aus. Warum?

Mit ihrer Vermutung widersprachen sie übrigens auch den Einschätzungen des erfahrenen Profilers. Dieser hatte im Prozess ausgesagt, dass eigentlich nur ein Profikiller "eiskalt" genug sei, um unmittelbar nach der Tat in so kurzer Zeit (innerhalb von ca. 20 Minuten) noch überlegt handeln könne.

Alle anderen hätten nach der Tat einen natürlichen Fluchtinstinkt vom Tatort, so der Profiler. Der Angeklagte ist und war aber definitiv kein eiskalter Profikiller, der sich länger (als nötig) am Tatort aufhalten würde.

Ich persönlich gehe davon aus, dass der Mörder zunächst in Panik geflohen ist - und erst Stunden später (nachdem er sich ein wenig gefasst hatte) zum Tatort zurückgekehrt ist. Aber auch das ist und bleibt nur eine Vermutung. Dennoch erwarte ich in einem Mordprozess, dass diese mögliche Variante von der Kammer nicht kategorisch ausgeschlossen wird.

13. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

Unfassbar, wie dilettantisch und stümperhaft die Kripo damals gearbeitet hat. Dass man Handschuhe trägt, bevor man einen Tatort betritt und das Brett anfasst, welches auf dem Opfer liegt, ist seit den 1930er Jahren bekannt - und weltweit durchaus üblich. Leider hatte sich das nicht bis nach Aschaffenburg herumgesprochen.

14. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

Der Verlust der dritten Asservatenkiste ist für uns der Gipfel der Schlamperei. Niemand weiß bis heute, wann und wo die Staatsanwaltschaft die Kiste verloren hat.

15. Insiderwissen & Meinung von Robert Junker

Das Gericht glaubte auch dem Mithäftling nicht, der aussagte, B. habe ihm in einem Gespräch den Mord mehr oder weniger gestanden. B. bestritt jedoch, dass es ein Gespräch mit ihm gegeben habe.

Die Kammer erklärte daraufhin den Mithäftling (und nicht etwa B.) für profilneurotisch und unglaubwürdig. Obwohl der Mithäftling von zusätzlichen Insiderinformationen wusste, die ihm nur B. im Gefängnis erzählt haben konnte, da sie nie zuvor in den Medien erschienen waren.

Wir fragen uns: Woher sonst - wenn nicht von B. - hätte der Mithäftling dieses Insiderwissen haben können?

Es gibt diese und einige weitere (an dieser Stelle nicht genannten) Indizien, die für den Angeklagten als Täter sprechen. Da diese zum Teil etwas komplexer veranlagt sind und möglicherweise die Persönlichkeitsrechte von B. verletzen, möchte ich hier nicht näher darauf eingehen - sondern schließe diese Zusammenfassung mit einem letzten starken Indiz: dem Mordmerkmal:

"Die Vermeidung einer Gefängnisstrafe durch Vertuschung einer Straftat".

Letztes Indiz:

In einem Mordfall sucht die Kriminalpolizei immer nach so genannten "Mordmerkmalen". Um jemanden als Mörder verurteilen zu können, braucht es also mindestens ein eindeutiges Mordmerkmal wie zum Beispiel "Vermeidung einer Haftstrafe durch Vertuschung einer Straftat". Fakt ist: B. war zur Tatzeit nur auf Bewährung draußen. Hätte Christiane überlebt und ihn angezeigt, wäre er für mehrere Monate (wenn nicht Jahre) ins Gefängnis gewandert.

Nun könnt ihr euch selbst die Frage stellen:

Wie wahrscheinlich ist es, dass es einen anderen Täter gab, der ...

a) Christiane gut kannte und auf sie stand?

b) wusste oder gesehen haben könnte, dass Christiane an diesem Tag allein zur Schule ging?

c) sich im Schlossgarten sehr gut auskannte?

d) an diesem Dienstagabend allein - und ohne Zeugen zur Tatzeit - in der Stadt unterwegs war?

e) nur wenige Wochen zuvor im selben Park eine Vortat begangen hatte, deren Ablauf dem Mord ähnelte?

f) ein klares Mordmotiv hatte, nämlich "eine Gefängnisstrafe zu vermeiden"?

Schlusswort:

Ob B. tatsächlich der Mörder meiner Schwester war, wissen wir alle aufgrund der aktuellen Sachlage, sprich der fehlenden Beweise wie Fingerabdrücke, DNA-Spuren, Bissspuren etc. nicht. Vor Gericht gilt die Unschuldsvermutung, deshalb müssen wir auch den Freispruch akzeptieren, obwohl viele Indizien für ihn als Täter sprechen.

Einen reinen Indizienprozess gibt es in Deutschland aber nur selten, weshalb ich mich wieder frage: Wie viele Indizien müssen gegen einen Verdächtigen sprechen, damit er in einem Indizienprozess angeklagt werden kann? Wie stark müssen diese Indizien den Angeklagten belasten, damit eine Verurteilung wahrscheinlich ist? Und wer entscheidet über Anzahl, Stärke und Wahrscheinlichkeit aller Indizien zusammen? Das Gesetz? Die Kammer? Oder einfach nur das Gefühl eines einzelnen Richters?

Ich bedanke mich für euer Interesse an diesem Fall und hoffe, ein wenig Licht in die dunklen Geheimnisse des Schlossgartenmordes gebracht zu haben. Bitte teilt diesen Bericht! Mit allen, die sich ebenfalls für den "Schlossgartenmord" interessieren könnten.

Zum Anhören: Podcast Mordgespräche, Folge 27 > "Der (un)lösbare Fall der Christiane J." auf Spotify.

Zum Anhören: Podcast ZEIT-Verbrechen, Folge 187 > "Der Biss des Mörders" auf Spotify.